Museumsnacht in der Lutherkirche am 19. Sptember 2015

Am ehesten könnte man es als "Collage für die Sinne“ bezeichnen, was die Zuschauer der Museumsnacht am 19. September in der Lutherkirche erleben durften. „Konstruktion und Destruktion“ lautete der abstrakt anmutende Titel - doch die Künstler meinten es tatsächlich ernst: unter der Regie des bildenden Künstlers Antonio Zecca ließen sich Tobias Urban (Literatur) und Martina Bischofberger (Musik) in der Vorbereitung gerne auf ein Konzept ein, das Provokation statt Genuss zum Ziel hatte. Der stündlich stattfindenden Performance fehlte es nicht an Dramatik: scheinbar ziel- und planlos wurden Meisterwerke der Kunst aus einem Bildband gerissen, zertrampelt, verkleckst, zeitgleich hastig aufgeschlagene Literaturfetzen zusammenhanglos rezitiert, bevor die Seiten in Stücke gerissen und achtlos weggeworfen wurden. Musikstile und Instrumente, Besetzungen und Werke, Epochen und musikalische Gattungen fielen sich parallel dazu gegenseitig ins Wort, waren teilweise der Selbstzerstörung preisgegeben, gingen unter, wurden erbarmungslos in Teile gerissen. Da sang eine Opernsängerin gegen den Straßenlärm, übertönte der Can-Can auf der Orgel eine Saxofonimprovisation (und umgekehrt), da wechselten Guggenmusik und „Stille Nacht", Opernmärsche und Monteverdi mit Volksmusik, Gregorianik und Händelarien. Selbst der Kirchenraum war mit Licht, Plakaten, Fahnen und Unmengen von zerknülltem Papier zur Unkenntlichkeit verfremdet und schon alleine einen Besuch wert. Gäste waren die aus Italien angereiste Maria Palmitesta, Opernsängerin aus Matera, Kai Lupsina (Singen) mit einem Bläserensemble als Turmbläser und Volker Wagner aus Gundholzen (Saxofon), die gemeinsam mit Silvia Bischofberger (Gesang) und Martina Bischofberger (Organistin der Lutherkirche) den musikalischen Part der groß angelegten Collage übernahmen. Tobias Urban, Lehrer für Deutsch, Geschichte sowie Literatur und Theater an der Evang. Schule Schloss Gaienhofen, verantwortete den literarischen Part gemeinsam mit Schülern der Evang. Schule Gaienhofen und des Hegau-Gymnasiums Singen.

 „Peinlich berührt“ waren die einen, beeindruckt die anderen, verständnislos den Kopf schüttelnd verließen wieder andere die Kirche: Wie kann man nur Bücher zerreißen, Meisterwerke der Musik mit Füßen treten, die Orgel mit „unchristlicher Musik“ entweihen, Gemälde und Fotografien von der Wand reißen und zur Unkenntlichkeit entstellen, wie kann man nur … Provokation. Scharfe Kritik braucht Übertreibung. Kritik am Umgang der Menschheit mit Kulturschätzen, mit der Schöpfung, Kritik an der Missachtung dessen, was vor uns geschaffen wurde, Kritik an der fehlenden Ehrfurcht, mit der wir allzu oft sakrale und kulturelle Stätten auf der ganzen Welt betreten.

Da half nur noch eins: nach so viel Destruktion italienische Spezialitäten und ein Glas Prosecco genießen, offeriert von Familie Giudicepietro im Luthersaal neben der Kirche - bei gregorianischen Klängen. Ganz konstruktiv.

Martina Bischofberger